David Row in der Galerie Brandstetter & Wyss
February 5, 1999
by Thomas Ribi
Neue Zürcher Zeitung

David Row “Coronado,” 1998, auf Aluminium

Die Sprache der Geometrie aufbrechen

Der festgefilgten, ale erdruckend empfundenen Abgeschlossenheit der abstrakten Malerei begann der Amerikaner David Row Anfang der siebziger Jahre mit seinen Bildern entgegenzuarbeiten: ein Versuch, die Sprache der Geometrie aufzubrechen, dos Recht der offenen Form zu behaupten. Die Galerie Brandstetter & Wyss zeigt erstmals in Zurich eine Auswahl aus Rows Angst Werk.

Wer sich im Amerika der frilhen siebziger Jahre der Malerei zuwandte, betrat ein schwieriges Gelande. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs waren voni abstrakten Expressionismus fiber Pop art, Farbfeldmalerei und Minimal art immer wieder neue Bewegungen aufgekommen, und in weiten Kreisen zeichnete sich des Unbehagen an diner Gattung ab, deren Mfiglichkeiten ausgereizt schienen. Ffir viele Kunstler und Kunsttheoretiker sthien der Punkt erreicht, an dem alle Wiederbelebungsversuche vergeblich sind; die Legitimitat der Malerei als kanstlerisches Medium war in Frage gestellt. In dieser Zeit beschloss der 1949 in Maine geborene David Row, sick der Malerei zuzuwenden. In Auseinandersetzung mit Konzepten der Abstraktion, vor allem mit Mondrian, de Stijl oder der New Yorker Schule, entwickelte er eine von blockhaften Rechtecken und Kurven bestimmte Formensprache. Bald begann Row, mit elliptisch geformten Schablonen zu arbeiten, ein Vorgehen, des er im Lauf der Zeit konsequent weiterentwickelte und dessen Mfiglichkeiten er mit beinahe enzyklopAdischem Eifer abschritt.

In der Au.swahl neuerer Werke, mit denen die Galerie Brandstetter & Wyss den in der Schweiz kaum bekannten Kanstler erstmals vorstellt, sind die Grundzilge seines Schaffens in einem fortgeschrittenem EntwicIdungsstadium fassbar. Die seit langem zentrale, aus dem Modell der DNA Struktur entwickelte Spirale leg als offene Form den Grund far das Bestreben, die geschlossene, in genau umgrenzten Raumen gefangene Sprache der Geometric aufzubrechen. Als weft ausgreifende Bahnen ziehen sick die Spiralen fiber die am mehreren Paneelen zusammengesetzten Bildflachen, weiten fiber deren horizontahnliche, in strengen Farbschemen gegliederte Unterteilungen hinaus und variieren des Motiv als Segment einer potentiell endlosen Progression. So subtil wie kompromisslos stellt Row damit den Anspruch in Frage, im Akt der Kcanposition ein Ganzes zu schaffen; ein Ganzes, des in der Malerei dock stets nur in einer Zusammenstellung fragmentarischer Einzelteile auf einem ausschnitthaft begrenzten Bildtrager besteht. Zugleich unterlauft er mit seinen Konfigurationen jede hierarchische Ordnung der Bildelemente — und dies, obschon die Anordnung der Formen auf den ersten Buick klar, mitunter sogar ausgesprochen einfach wirkt.

Seit ihren Anflingen war die auf geometrischen Formen aufbauende Malerei im Bewusstsein der Maier und in der Erwartungshaltung der Betrachter untrennbar mit der Vorstellung von Ordnung, von ausgewogenem innerem Zusammenhang verbunden. Die Verunsicherung, die von Rows Bildern ausgeht, hat ihren Grund nicht zuletzt darin, dass im Spannungsfeld einander widerstrebender Prinzipien eingetibte Wahmehmungsformen entftluscht werden. Doch auch in der Auflosung — das wird an Rows Schaffen vielleicht besonders deutlich —, such im Versuch ihren Negierung werden die Gesetzmassigkeiten der Komposition nicht ganz unwirksam. Und noch etwas zeigen David Rows Arbeiten, deren prAzise Organisation spannungsreich mit einem expressiven Farbauftrag kontrastiert: dass die Malerei ihre Autonomie auch dort bewahrt, wo sie einer radikalen.Priffung unterzogen wird.